Der Einzelhandel ist einer der größten Arbeitgeber in Schleswig-Holstein, nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit gibt es in diesem Bundesland im Einzelhandel 83 127 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte, davon 55 728 Frauen. Hinzu kommen noch unzählige Minijobberinnen und Minijobber. Die Löhne in dieser Branche sind in den letzten Jahren wenig gestiegen und liegen deutlich unter dem Durchschnitt.
Im Januar diesen Jahres erklärte die Arbeitgeberorganisation Handelsverband Deutschland (HDE), im Laufe der folgenden Monate alle Tarifverträge kündigen zu wollen – darunter auch die Manteltarifverträge. In Schleswig-Holstein ist dieses dann zum 30.04. geschehen. Durch die Kündigung des Manteltarifvertrages fahren die Arbeitgeber einen Generalangriff auf die Arbeitsbedingungen im Einzelhandel. Erklärtes Ziel des HDE ist, „ein der Arbeitswirklichkeit des 21. Jahrhunderts entsprechendes” Tarifwerk zu schaffen. Im Detail heißt dies: Streichung von Spätöffnungs- und Nachtzuschlägen, niedrigere Eingruppierungen und weitere Maßnahmen der Lohnsenkung. Gut, dass sich die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di massiv dagegen wehrt und bereits Streiks organisiert hat.
Um unsere Solidarität mit dem Kampf der Beschäftigten für gute Löhne und faire Arbeitsbedingungen zu zeigen und Kundinnen und Kunden über den (letztlich auch für andere Branchen trendsetzenden) Tarifkonflikt im Einzelhandel aufzuklären, haben wir heute eine kleine Aktion durchgeführt – und ein bisschen die heile Shopping-Welt gestört.
Da ich selbst ausgebildeter Einzelhandelskaufmann bin und bis vor sechs Jahren in dieser Branche gearbeitet habe, war mir diese Aktion eine echte Herzensangelegenheit.
Schon damals waren die Arbeitsbedingung (und ebenso das Gehalt) eher schlecht, in den vergangenen Jahren aber hat sich vieles noch verschlimmert. Gegen den Versuch des HDE, alle Beschäftigten im Einzelhandel endgültig in den Niedriglohnsektor zu drängen, ist Widerstand notwendig. Dieser muss von den Beschäftigten und ihren Gewerkschaften kommen, von der Politik unterstützt werden (welche Partei allerdings die einzige ist, die dieses Thema aufgegriffen [pdf] hat, lässt sich wohl leicht erraten…) und auf das Verständnis der Kundinnen und Kunden stoßen.
Viele Gespräche, die wir heute in Lübeck, Neumünster, Büdelsdorf und Kiel zum Thema führen konnten, waren ermutigend. Auch wenn den allermeisten Einkaufenden gar nicht bekannt war, welcher Konflikt sich gerade im Einzelhandel abspielt, so war doch die überwiegende Meinung dass auch größere Streiks legitim sein, wenn die Arbeitgeberseite sich nicht bewegt.
Unsere Aktion war bewusst darauf angelegt, zivilen Ungehorsam zu leisten und uns um das Hausrecht der Einzelhandelskonzern nicht zu scheren: Wir sind einfach in die Geschäfte rein, haben mit Verkäuferinnen und Verkäufern sowie Kundinnen und Kunden das Gespräch gesucht, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen. Bei Karstadt in Lübeck sind wir nach ganzen 9 Minuten vor die Tür gesetzt worden. Im „Factory-Outlet-Center“ in Neumünster war dies nach 13 Minuten der Fall. In den zwei Geschäften in Büdelsdorf blieben wir unbehelligt: Trotz riesiger Verkaufsflächen kaum Personal – kein Indiz für gute Arbeitsbedingungen. Auch im Sophienhof in Kiel konnte uns keiner stoppen, so dass die Aktion in der Holstenstraße ihren Ausklang fand.
Weitere Fotos der Aktion:






