Eine Frau mit Einwegmaske greift in einem Supermarkt in ein Regal.

Sonntags einkaufen als „patriotische“ Tat?

Vor einigen Tagen hat der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) davon gesprochen, dass er sich mehr verkaufsoffene Sonntage wünsche, und dass der Erhalt des Einzelhandels „eine nationale, ja auch eine patriotische Aufgabe sei“. Weniger Pathos ging offensichtlich nicht.

Nun steht nicht zu befürchten, dass der Einzelhandel verschwindet, wenn Leute nicht so oft Sonntags einkaufen gehen können. Völliger Unsinn ist natürlich, dass durch mehr verkaufsoffene Sonntage im kommenden Jahr Umsatzausfälle kompensiert werden sollen, welche im Jahre 2020 durch die Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie entstanden sind: Bei den großen Ketten hat es keine nennenswerten Einbrüche gegeben. Den viel beschworenen kleinen Läden und Boutiquen wäre sehr viel mehr dadurch geholfen, wenn zugesagte Hilfen auch tatsächlich fließen, und das nicht erst mit wochenlanger Verzögerung.

Sonntagsöffnungen für den Infektionsschutz?

Regelmäßig scheiterten in den vergangen Wochen Versuche diverser Kommunen und Landesregierungen, mehr verkaufsoffenen Sonntage zu genehmigen (mit der perfiden Begründung, dieses würde dem Infektionsschutz dienen), vor den Gerichten. Gut so!

Schon die allgemeine Lebenserfahrung zeigt, dass Geschäfte etwa ab Freitag Mittag sehr viel voller sind als an anderen Wochentagen; an den Samstagen sowieso. In einer Zeit, in welcher andere Freizeitmöglichkeiten fehlen möchte ich mir nicht ausmalen, wie es dann an einem Sonntag aussehen würde.

Zumal die Frage gestattet sein sollte: Wie sieht es eigentlich mit dem Infektionsschutz der Belegschaften im Einzelhandel aus (für die es eben keine Möglichkeiten der Kontaktbeschränkung wie etwa Home Office gibt!), wenn sie dann sieben statt sechs Tage in der Woche den shoppenden Menschenmassen ausgesetzt sind – inmitten einer globalen Pandemie?

Die Realität der Sonntagsöffnungen

In Schleswig-Holstein erlaubt das Ladenöffnungszeitengesetz (§ 5) bereits die Öffnung an vier Sonntagen bzw. Feiertagen aus besonderem Anlass (ebenso gibt es noch die so genannte Bäderregelung für Orte mit touristischer Bedeutung). Die Entscheidung darüber, an welchen Sonntagen geöffnet werden darf, treffen die jeweiligen Kommunen.

In Kiel beispielsweise sollen dieses – wie in den Vorjahren – folgende Sonntage sein: Der 28. Februar anlässlich des „Kieler Umschlag“, immerhin ein traditionelles Volksfest. Bei allen anderen „besonderen Anlässen“ drängt sich allerdings berechtigterweise die Frage auf, ob sie nicht einzig dafür geschaffen worden sind, um Sonntagsöffnungen zu ermöglichen.

Am 2. Mai 2021 (besonders perfide, weil es ein langes Wochenende für Verkaufspersonal verhindert) wird dieser „besondere Anlass“ der vor wenigen Jahren von der stadteigenen Kiel Marketing GmbH geschaffene Event „Kiel blüht auf“ sein. Wer denkt, hier ginge es vor allem um Floristik und nette Souvenirs in Frühlingsstimmung, irrt: Selbstverständlich dürfen auch die großen Märkte am Stadtrand ihren Teil zu den blühenden Landschaften beitragen.

Im Oktober findet dann der „Bauern- und Regionalmarkt“ statt. Klingt erst einmal heimelig, nach Natur und irgendwie gut, nicht wahr? Sehr viel mehr als ein paar Stände in der Innenstadt, die ansonsten auf den Wochenmärkten stehen, gibt es allerdings nicht zu sehen. Natürlich aber sind die Shopping-Center am Stadtrand ebenso geöffnet, weil sie ja so sehr der Region verbunden und für die Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft bekannt sind.

Das Sonntags-Shopping-Jahr ausklingen lassen kann man dann bei den „Skandinavien-Tagen“ im November. Nun ist Kiel in der Tat ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt von und nach Skandinavien. Mehr als einen Verkaufsstand von IKEA in der Innenstadt gab es zumindest in den Vorjahren (und auch dieser „besondere Anlass“ existiert erst seit wenigen Jahren) an skandinavischem Flair allerdings nicht zu sehen. Selbstverständlich aber dürfen neben IKEA auch die anderen großen Shopping-Center am Stadtrand ihren Beitrag leisten und öffnen.

Profite für die Großen, Probleme für die Kleinen

Dieses Muster wiederholt sich in vielen anderen Kommunen, bundesweit: Alibi-Anlässe werden geschaffen, um an Sonntagen öffnen zu können. Dieses aber ist klipp und klar rechtswidrig. Leider muss in jedem Einzelfall geklagt werden, damit illegale Sonntagsöffnungen unterbunden werden. Hier wünschen ich mir von der zuständigen Gewerkschaft ver.di auch in Schleswig-Holstein noch mehr Mut, gegen solche konstruierten „besonderen Anlässe“ gerichtlich vorzugehen.

Letztlich helfen diese Sonntagsöffnungen nämlich nur den großen Ketten: Sie haben genug Ressourcen, um zusätzliche Tage zu stemmen (und nutzen auch gerne den Trick, an Sonntagen vor allem geringfügig beschäftigte Aushilfen einzusetzen, weil diese nicht in den Genuss von tariflichen Zulagen kommen). Die kleineren Läden hingegen stellen solche verkaufsoffene Sonntage regelmäßig vor Probleme: Personalreserven sind nicht vorhanden, Beschäftigte müssen (für den Arbeitgeber ggf. teure) Überstunden leisten. Vielfach stehen auch einfach die Inhaber:innen selbst alleine im Laden. Häufig lässt sich auch beobachten, dass die kleineren Läden an solchen verkaufsoffenen Sonntagen dann gar nicht geöffnet haben – weil sie das nicht leisten können.

Hilfe für den Einzelhandel sieht wahrlich anders aus.

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