Liebe Genossinnen und Genossen,
ich habe die Freude, euch die These „mögliche Regierungsbeteiligung unter Einhaltung roter Haltelinien“ vorzustellen. Im Unterschied zu den beiden anderen Vorträgen, welche wir hier hören, verzichtet dieses These sowohl auf ein klares „Ja!“ wie auf ein klares „Nein!“. Verkürzt könnte man sagen, die Frage einer möglichen Regierungsbeteiligung wird hier mit einem „Ja, aber“ bzw. einem „Nein, aber“ beantwortet.
Kurz möchte ich aus dem Grundsatzprogramm unserer Partei, beschlossen am 23. Oktober 2011 in Erfurt, zitieren, genauer aus dem Abschnitt „Arbeit in den Parlamenten, Volksvertretungen und Regierungen“.
Dort heißt es:
„Parlamentarische Opposition wie auch das Wirken in Regierungen sind für DIE LINKE Mittel politischen Handelns und gesellschaftlicher Gestaltung. Der Kampf für die Verbesserung der Lage von Benachteiligten, die Entwicklung und Durchsetzung linker Projekte und Reformvorhaben, die Veränderung der Kräfteverhältnisse und die Einleitung eines Politikwechsels sind der Maßstab für den Erfolg unseres politischen Handelns.
Parlamentarische Bündnisse mit anderen politischen Kräften gehen wir dann ein, wenn dies den von uns angestrebten Richtungswechsel in Politik und Gesellschaft fördert.“
Der letzte Satz ist hierbei entscheidend: DIE LINKE erklärt in ihrem Grundsatzprogramm, dann parlamentarische Bündnisse – also, Koalitionen, oder aber auch andere denkbare Modelle der Zusammenarbeit – einzugehen, wenn es einem grundsätzlichen Richtungswechsel in Politik und Gesellschaft dient. Dort steht eben nicht, wir gehen in eine Regierung, um einen CDU-Ministerpräsidenten zu verhindern. Dort steht auch nicht, wir gehen in eine Regierung, um schlimmeres zu verhindern, um Teil des „kleineren Übels“ zu sein.
Nein, es geht an dieser Stelle nicht um eine defensive Position gegen weitere Prekarisierung von Arbeits- und Lebensbedingungen, gegen die weitere Zerschlagung des öffentlichen Dienstes oder gegen die fortschreitende Privatisierung der Daseinsvorsorge. Eine solche Defensive ließe sich in der Tat aus der Opposition heraus weit besser organisieren, den als Juniorpartner in einer Landesregierung.
Eine Regierungsbeteiligung der LINKEN in Schleswig-Holstein oder anderswo kann nur als offensives Vorhaben überhaupt sinnvoll sein. Eine Regierungsbeteiligung kann nur dann zu etwas anderem als Enttäuschungen und dem Verlust eigener Glaubwürdigkeit führen, wenn am Ende einer solchen Regierungsbeteiligung spürbare Verbesserung für Lohnabhängige, Transferleistungsbeziehende, usw. – kurz: für die einfachen Menschen stehen.
Und mit „Spürbahren Verbesserungen“ meine ich auch tatsächlich spürbare Verbesserungen! Das darf dann kein „Kleinkram“ sein, ein paar Euro-fünfzig mehr hier oder hundert Lehrerinnen und Lehrer mehr dort.
Als Ergebnis einer Regierungsbeteiligung der LINKEN müssen dann schon sichtbare strukturelle Veränderungen stehen, die tatsächlich etwas zur Verschiebung von Kräfteverhältnissen in der Gesellschaft beitragen und die erkennbar Schritte in Richtung eines grundlegenden Politikwechsels sind. Soviel Selbstbewusstsein müssen wir als linke Partei haben!
In der innerparteilichen Debatte zu Regierungsbeteiligung der LINKEN wird häufig von „roten Haltelinien“ gesprochen, auch mein jetziger Vortrag steht unter diesem Titel. Erlaubt mir, zur Erläuterung erneut aus dem Grundsatzprogramm unserer Partei zu zitieren:
Dort steht:
„An einer Regierung, die Kriege führt und Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zulässt, die Aufrüstung und Militarisierung vorantreibt, die Privatisierungen der Daseinsvorsorge oder Sozialabbau betreibt, deren Politik die Aufgabenerfüllung des Öffentlichen Dienstes verschlechtert, werden wir uns nicht beteiligen.“
Das sind die „roten Haltelinien“, welche für DIE LINKE eine Regierungsbeteiligung ausschließen.
Wir diskutieren hier ja über eine mögliche Regierungsbeteiligung in Schleswig-Holstein. Fragen von Krieg & Frieden fallen an dieser Stelle also schon mal raus – eine Landesregierung ist hiermit nicht befasst, ein Landtag entscheidet nicht darüber.
Interessanter für uns sind an dieser Stelle die Punkte „Privatisierung von Daseinsvorsorge“ und „Verschlechterung der Aufgabenerfüllung des Öffentlichen Dienstes“. Beides durchaus in Zuständigkeit des Landes. Beide Punkte sind für mich aber auch Begründung dafür, warum ich diese „rote Haltelinien“ nicht für ausreichend halte, wenn wir uns über das Für und Wieder einer Regierungsbeteiligung in Schleswig-Holstein unterhalten.
Soviel Daseinsvorsorge gibt es hier nämlich nicht mehr zu privatisieren – entsprechende Privatisierungen haben schon vor Jahren oder Jahrzehnten stattgefunden. Und die Formel „Verschlechterung der Aufgabenerfüllung des öffentlichen Dienstes“ ist sowieso höchst interpretationsfähig.
Tatsächlich könnte sich DIE LINKE – entsprechende Interpretation vorausgesetzt – schon heute problemlos an der DERZEITIGEN Landesregierung beteiligen, ohne die „roten Haltelinien“ zu verletzen. Weder hat die Albig-Regierung Daseinsvorsorge privatisiert, noch die Aufgabenerfüllung des öffentlichen Dienstes ernsthaft verschlechtert. Zumindest weniger, als es in anderen Bundesländern Landesregierungen unter Beteiligung der LINKEN bereits getan haben.
Deswegen werden wir in den kommenden Monaten gemeinsam diskutieren müssen, was unsere „rote Haltelinien“ hier in Schleswig-Holstein sind. Und vielleicht mögt ihr auch meinem Vorschlag folgen, in einer solchen Debatte nicht nur negativ zu definieren, was mit der LINKEN nicht geht.
Sehr viel zielführender und auch motivierender ist doch, wenn wir die kommenden Monate dazu nutzen gemeinsam darüber zu diskutieren, WOFÜR wir in Schleswig-Holstein stehen, WAS wir in Schleswig-Holstein verändern wollen – anstatt nur darüber zu reden, warum und aus welchem Grund es mit der SPD oder sonstwem nicht geht.
Lasst uns populäre Projekte definieren, welche orientiert an den konkreten Lebens- und Arbeitsverhältnissen hier im Land eine deutliche und spürbare Verbesserung darstellen würden! Lasst uns Ziele formulieren, die tatsächlich zur Verschiebung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse beitragen würden! Lasst uns eine selbstbewusste Partei sein, die sagt: DAS WOLLEN WIR!
Dann wird es uns auch nicht erschrecken, wenn am Morgen nach dem Wahlabend das Telefon klingelt und die Einladung zu Sondierungsgesprächen kommt. In solche Gespräche können wir dann nämlich ganz entspannt gehen, und sagen: Das wollen wir!
Eines muss uns nämlich klar sein: Wenn wir von vornherein sagen, wir stehen für Gespräche nicht zu Verfügung, dann müssen wir ständig die Frage beantwortet, warum den nicht. Und spätestens ab 18:00 Uhr am Wahlabend würde das dann auch niemanden mehr interessieren.
Lasst uns doch lieber erklären, WOFÜR wir stehen und uns nicht an dem blöden Spiel „wer mit wem?“ beteiligen. Lasst uns eine selbstbewusste Partei sein, die auch selbstbewusst in jede Situation gehen kann!
Dann liegt es nämlich an den anderen, Nein zu sagen und zu erklären, warum es denn nicht geht.
Und das ist dann – siehe Hessen – eine gute Ausgangslage für eine kraftvolle und kämpferische Opposition der LINKEN im schleswig-holsteinischen Landtag!
Redebeitrag gehalten auf der Landesmitgliederversammlung am 29. März 2015 in Neumünster.