Seit der Verfassungsreform 2014 schwelt ein Streit darüber, ob in der Präambel der schleswig-holsteinischen Landesverfassung ein sogenannter Gottesbezug auftauchen soll. Inzwischen fast 70 Jahre ist die Landesverfassung (bis 1990: Landessatzung) ohne eine solche Anrufung einer Göttin oder eines Gottes ausgekommen.
Nun mag die eine oder der andere sagen, „Was solls? Wer ließt schon die Präambel einer Verfassung?“. Das ist sicherlich richtig, im Alltagsleben spielt so etwas gar keine Rolle. Aber: In einer solchen Präambel wird die grundsätzliche Wertebasis eines Gemeinwesens und eben auch der Zweck des schleswig-holsteinischen Staates beschrieben. Für das große Ganze ist es also durchaus von Bedeutung, wie sich dieser Staat ableitet.
Religion ist eine sehr private Angelegenheit. Die Glaubensfreiheit (und eben auch die Freiheit, keinerlei Religion zu folgen) ist eines der fundamentalsten Menschenrechte. Und genau aus diesem Grunde ist es brandgefährlich, irgendwelche Götter zur Begründung eines Staatswesens heranzuziehen: Aufgrund der (durchaus implizierten!) Vorauswahl werden die Götter des einen über die Götter der anderen gestellt – das verträgt sich prinzipiell nicht mit individueller Glaubensfreiheit. Staaten sind Menschenwerk. Sie waren es immer. Keiner Göttin, keinem Gott oder sonst etwas kann dafür die Verantwortung zugeschoben werden.
Schlimmer noch: Inzwischen ist die Frage des Gottesbezuges Gegenstand eines bizarren Parteienstreits im Landtag geworden. Wahlkampf und die nächste Landtagswahlen nahen. Insbesondere die CDU möchte mit dieser Frage auf Stimmenfang in konservativen Milieus gehen und hat sich dazu die Unterstützung von Teilen der christlichen Kirchen und einiger anderer Religionsgemeinschaften gesichert. Der ehemalige CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen ist gar Initiator einer Volksinitiative, welche den Gottesbezug in der Verfassung per Volksabstimmung durchzusetzen gedenkt, sollte sich dafür keine Mehrheit im Landtag finden. Auch einigen Abgeordneten von SPD, Grünen und SSW scheint es nicht zu gelingen, ihre persönlichen religiösen Überzeugungen (die es ausdrücklich zu respektieren gilt!) von ihrer Verantwortung für einen säkularen Staat zu trennen.
Nun haben diverse Abgeordnete – interessanterweise nur der kleineren Fraktionen, nicht aber von SPD oder CDU – einen Kompromissvorschlag vorgelegt (Drs. 18/4264), welcher zwar keinen Gottesbezug vorsieht, aber Grundwerte in der Präambel „Schöpfend aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas“ abgeleitet wissen möchte. Ein tragfähiger Kompromiss, wie ich finde.
Anstatt aber endlich zu entscheiden, hat es sich der Landtag einfach gemacht: Der Vorschlag wurde zur weiteren Beratung in den Innen- und Rechtsausschuss verschoben. Offensichtlich ist eine notwendige verfassungsändernde 2/3-Mehrheit für keinen der bisherigen Vorschläge in Sicht. Es wird immer wahrscheinlicher, dass die Frage des Gottesbezuges in der Landesverfassung – sollte die Volksinitiative ihr Anliegen durchziehen – tatsächlich per Volksabstimmung entschieden werden muss. Gut so: Staaten sind Menschenwerk. Sollen die Menschen in Schleswig-Holstein entscheiden!