Ein sogenanntes „No-Spy-Abkommen“ mit den USA wird es nicht geben, soviel scheint inzwischen klar zu sein. Wahrscheinlich war dieses sowieso nur eine Nebelkerze, welche die CDU/CSU im Wahlkampf geworfen hat, um Aktivität zu simulieren und die Wählerschaft zu beruhigen. Schon die Intention eines solchen Abkommens – sollte es den jemals wirklich geplant gewesen sein – ist reichlich naiv: Verhinderung von Spionage durch einen bilateralen Vertrag mit einer US-Regierung, die ihre Geheimdienste augenscheinlich schon lange selbst nicht mehr unter Kontrolle hat. Mehr als ein symbolischer Akt ohne reale Folgen wäre daraus nicht geworden.
Als die globale Totalüberwachung seitens der NSA und anderer Geheimdienste im Sommer 2013 durch die Enthüllungen von Edward Snowden aufgeflogen ist, war dies der damaligen Bundesregierung reichlich egal. Damals ging es ja nur darum, dass zig Millionen Einwohnerinnen und Einwohner potentiell ständig überwacht werden. Schnell hieß es, die USA hielten sich „an Recht und Gesetz“ und die Affäre sei „beendet“ (so der damalige Kanzleramtsminister und heutige Bahnmitarbeiter in spe, Roland Pofalla).
Aufregung und staatstragende Empörung kam erst auf, als aufflog, dass auch Angela Merkel nur eine deutsche Staatsbürgerin ist und ihr Handy seit etlichen Jahren durch die Amerikaner abgehört wird. Tatsächliche Schritte, das Ausmaß der universellen Bespitzelung aufzuklären oder gar den Vereinigten Staaten Grenzen aufzuzeigen, sind aber auch seitdem mitnichten unternommen worden. Scheinbar soll die grenzenlose Überwachung einfach als gegeben hingenommen werden.
Dabei gäbe es Maßnahmen, welche eine Bundesregierung ergreifen könnte, wenn sie es denn wollte:
- Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen. Durchaus üblich und angemessen wäre es, us-amerikanische Botschaftsangehörige solange zu persona non grata zu erklären und auszuweisen, bis die Überwachungsvorrichtungen vom Dach der Botschaft abmontiert werden.
- Edward Snowden endlich Asyl in Deutschland zu gewähren, (nicht nur) da er sich bereit erklärt hat, dann sein gesamtes Wissen zur Aufklärung der NSA-Affäre preiszugeben.
- wenn schon offizielle Delegationen nach Washington D.C., dann sollte sich mit US-Senatoren getroffen werden, die den dortigen Geheimdiensten gesetzgeberische Ketten anlegen wollen – und nicht mit Obama.
Natürlich würde diese Schritte keinesfalls das Ende des elektronischen Lauschangriffes bedeuten. Sie würden allerdings deutlich machen, dass ein solches Verhalten nicht einfach hingenommen wird – schon gar nicht von einem angeblichen „strategischen Partner und Verbündeten“.
Ein schärferes, und meines Erachtens notwendiges und überfälliges, Schwert wäre es, die US-Militärbasen in Deutschland zu schließen und alle entsprechenden (Geheim-)Abkommen aufzukündigen. Gegenwärtig ist die Bundesrepublik der größte Stationierungsort us-amerikanischer Streitkräfte außerhalb der USA. Das kann und sollte geändert werden; und damit würde tatsächlich ein Teil der Überwachungsinfrastruktur in Europa wegfallen. Besser noch: Mit dem Verschwinden solcher Einrichtungen wie der Ramstein Air Base oder dem AFRICOM in Stuttgart wären den USA bedeutende Fähigkeiten zur Kriegführung im Nahen Osten und in Afrika genommen. Auch sicherheits- und friedenspolitisch ein Gewinn.
Über die europäische Ebene wären ebenso Signale zu setzen: Kündigung des – spätestens im Lichte der Snowden-Enthüllungen – albernen „Safe Harbor“-Abkommens sowie des SWIFT-Abkommens. Auch Handelssanktionen wären denkbar. Geniale Idee: Wenn solche Firmen wie Apple Nutzerdaten an die NSA weitergeben, dürfen sie halt ihre iPhones und iPads innerhalb der Europäischen Union nicht mehr verkaufen (ähnliche Sanktionen seitens der USA gegen europäische Unternehmen sind übrigens seit Jahrzehnten gängig, wenn diese z.B. Handel mit Kuba treiben). Sehr schnell würden Lobbyisten solcher Firmen Washington D.C. fluten, um eine Einschränkung der Geheimdienste zu verlangen…
Letztlich aber würden auch solche harten Maßnahmen die Totalüberwachung höchstens bremsen. Wichtig wäre es, zuallererst vor der eigenen Haustür zu kehren: Es muss europäisches Recht geschaffen werden, welches willkürliche Kommunikationsüberwachung illegal macht. Natürlich muss dazu die unsägliche Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie ersatzlos gestrichen werden.
Und schließlich müssen informationelle Selbstbestimmung, das Recht auf unüberwachte Kommunikation und Grundregeln des Datenschutzes in einer internationalen Konvention verankert werden – als bindendes Völkerrecht. Auch dagegen werden dann einzelne – und wahrscheinlich „die Großen“ – Staaten verstoßen (oder schlicht die Konvention nicht ratifizieren), langfristig aber haben sich die aus ähnlichen Abkommen abgeleiteten Rechte nach und nach durchgesetzt. Und diese richtige Perspektive wäre allemal besser, als die gegenwärtige Totalüberwachung einfach als gegeben hinzunehmen.