Zu sehen ist ein langes, geschwungenes Bücherregal in einer Bibliothek mit mehreren Stockwerken.

Gelesenes, 2023

Inspiriert durch die vielen Listen gelesener Bücher, welche von Leuten insbesondere auf Mastodon, aber auch anderswo zum Jahreswechsel geteilt worden sind, wollte ich mich auch mal daran versuchen. Dieses ist auch ein guter Anlass, um meinem Vorsatz meinen Blog endlich mal wieder zu benutzen und Gedanken in Texte zu verwandeln, genüge zu tun.

Auch wenn ich über die von mir gelesenen Bücher keine Liste führe oder sie anderweitig tracke, kann ich dennoch recht viel aus der Erinnerung nachvollziehen (oder im Verlauf meines eBook-Readers sehen). Einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt diese Aufzählung also nicht. Wozu auch.

Insgesamt habe ich in 2023 wieder mehr Bücher gelesen, was mich freut. Es ist aber noch weit entfernt von der Anzahl in früheren Tagen. Anders, als es manch andere von sich berichten konnten, haben die Corona-Jahre bei mir nicht dazu geführt, dass ich mehr gelesen hätte – ehr im Gegenteil. Auch die allgemeine Weltlage, der Angriff auf die Ukraine und andere Ereignisse haben dabei nicht geholfen. Da ich dazu neige, sehr viele Nachrichten, Analysen und Studien aus den unterschiedlichsten Quellen zu lesen, um zu verstehen was vor sich geht, blieb für Bücher häufig einfach zu wenig Zeit.

Beim Schreiben dieses Textes fällt mir auf, dass sich mein Leseverhalten wohl schlicht und einfach verändert hat. Früher habe ich z. B. sehr darauf geachtet, abwechselnd Bücher in deutscher und in englischer Sprache zu lesen. Das tue ich inzwischen kaum noch. Ebenso war eigentlich immer, seit ich überhaupt lesen kann, der Anteil von Sachbüchern höher als der von Belletristik. Das hat sich deutlich geändert. Ob ich das gut oder schlecht finde, weiß ich noch nicht.

Sachbücher

Jan Hegenberg – Weltuntergang fällt aus!

Definitiv die Sachbuchempfehlung für alle, die sich von welcher Grundüberzeugung auch immer startend mit Themen wie Energiewende, Gebäudeenergiegesetz, Verkehrswende usw. beschäftigen – also eigentlich wirklich für alle.

Was die Klimakrise angeht, scheint es in der Debatte nur noch zwei Pole zu geben: Entweder die Fraktion, der das alles viel zu schnell geht bzw. die sogar den Klimawandel leugnet. Oder aber diejenigen, die schon die Apokalypse als unabwendbar ansehen und teilweise starr vor Angst (oder zynisch und gleichgültig) sind. Beide Seiten widerlegt dieses faktenreiche Buch, noch dazu auf humorvolle Weise. Der Autor versteht es sehr gut, die komplexen Zusammenhänge verständlich darzustellen (und für diejenigen, die mehr wissen wollen, umfangreiche Quellen an die Hand zu geben) sowie überzeugend zu belegen, dass die Umstellung auf 100 % Energie aus erneuerbaren Quellen eine moderne Gesellschaft nicht vor größere oder gar unüberwindliche Probleme stellt. Zumal es viele andere Länder (und eben auch China!) schon ganz gut hinbekommen.

In diesem Zusammenhang sei auch der Blog „Der Graslutscher“ des Autors empfohlen, in welchem hervorragend die unzähligen Falschmeldungen („Strombettler!“) zum Thema Energie mit Fakten auseinandergepflückt werden.

John Gastil & Erik Olin Wright – Legislature by Lot

Spätestens seitdem die „Letzte Generation“ mit der Forderung nach einem zufällig ausgelosten Gesellschaftsrat auf mancher Straße klebt, ist die Diskussion um demokratische Gremien, welche nicht durch Wahlen zustande kommen, auch in Deutschland in Gange. In der englischsprachigen Welt ist dieses schon länger der Fall, so hat z.B. die Republik Irland im vergangen Jahrzehnt durch eine solche Bürgerversammlung manche gesellschaftspolitischen Blockaden aufgelöst und sozialen Fortschritt organisiert. Die im westlichen Kontext ursprünglichste Demokratie, das antike Athen, setzte ebenso auf das Los statt auf Wahlen.

Durch Wahlen wird nicht immer den bestgeeigneten Leuten zur Macht verholfen, was Geschichte und Gegenwart zuhauf beweisen dürfte. Schlimmer noch: In vielen parlamentarischen System weltweit ähneln sich die gewählten Abgeordneten von Herkunft und Erfahrung doch sehr, von Repräsentanz des Demos – des Volkes –, kann in vielen Demokratien immer weniger die Rede sein. Wäre es da nicht eine Idee, die Volksvertreter:innen direkt aus der wahlberechtigten Bevölkerung auszulosen, um eine bessere Repräsentanz zu erreichen?

Dieser Frage widmet sich der vorliegende Band. Die beiden Herausgeber entwickeln (ausgehend vom politischen System der USA) einen konkreten Vorschlag, eine solche zufällig ausgeloste Volksvertretung mit einer gewählten Volksvertretung zu kombinieren. Zu diesem Vorschlag lassen sie dann viele verschiedene Autor:innen Anmerkungen machen. Zu Wort kommen sowohl grundsätzliche Kritiker dieses Modells, als auch Vertreter:innen noch radikalerer Lösungen.

Andreas Urs Sommer – Entscheide Dich! Der Krieg und die Demokratie

Spätestens seit dem Überfall auf die Ukraine sind auch hierzulande Fragen von Krieg und Frieden wieder existenziell geworden. Der Autor, ein Schweizer Philosoph, sucht in diesem Band Antworten auf die Frage, ob Demokratien den Krieg als solchen verdammen müssten oder ob auch demokratische Gesellschaften zu kriegerischen Mittel greifen dürfen – oder gar müssen.

Leider hat dieses Buch meinen Erwartungen nicht entsprochen. Die Gedankengänge des Autors sind doch recht verworren, schweifen sehr häufig vom Thema ab und kommen selten zum Punkt; ein größerer Erkenntnisgewinn blieb für mich aus. Einig bin ich allerdings mit dem Verfasser, dass sich die Eingangsfrage nicht glasklar mit Ja oder Nein beantworten lässt, wenn man Begleitumstände ehrlich betrachtet.

Johan Eklöf – Das Verschwinden der Nacht

In diesem Buch geht es um eine seltener diskutierte Form der Umweltverschmutzung: die Lichtverschmutzung. Durch viele kleine Geschichte erzählt der schwedische Zoologe Johan Eklöf, welchen dramatischen Schaden unzählige nachtaktive Tierarten durch zu viel künstliche Beleuchtung nehmen. Auch der Mensch leidet nachgewiesener Weise zunehmend unter der Lichtverschmutzung und dem Verschwinden eines natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus.

Glücklicherweise zählt der Autor nicht zu denjenigen, die Technik als solche verdammen und ein unmögliches „Zurück zur Natur“ propagieren, sondern macht sehr konkrete und realistische Vorschläge, wie es wieder mehr Dunkelheit geben kann.

Romane

Tatsächlich habe ich es im vergangen Jahr irgendwie geschafft, ausschließlich Science Fiction zu lesen. Wer mich kennt, weiß, dass das seit meiner Kindheit mein Lieblings-Genre ist – insoweit also nichts völlig außergewöhnliches. Allerdings habe ich ansonsten auch andere Literatur dazwischen gehabt. Nun gut, für das Jahr 2023 scheint ein gewisser Bedarf an Eskapismus und Gegenwartsflucht durchaus gerechtfertigt gewesen zu sein.

Iain Banks – Einsatz der Waffen

Über den Jahreswechsel 2022/2023 habe ich mich endlich mal wieder getraut, ein Buch von Iain Banks aus seinem Kultur-Zyklus zu lesen. Seit dieser Autor vor inzwischen schon einiger Zeit viel zu früh verstorben ist, mag ich seine Werke kaum noch anfassen – ganz einfach, weil es keine neuen mehr geben wird. Eigentlich alles, was Banks je geschrieben hat, ist gut bis sehr gut.

So auch dieser Roman: Erzählt aus der Sicht eines abgehalfterten Söldners welcher für die utopische „Kultur“ arbeitet, wird sehr gut beschrieben, wie zynisch und häufig auch unüberlegt die „Kultur“ trotz guter Absichten in das Leben anderer – vermeintlich weniger entwickelter – Zivilisationen eingreift. Wie immer bei Banks darf man die Story auch als einen so subtilen wie bissigen Kommentar der Gegenwart verstehen.

Stephen Baxter – Galaxias

Eine Urangst wird real: Nach einer Sonnenfinsternis taucht die Sonne nicht wieder auf, sie ist buchstäblich verschwunden. Was dieses für ein existenzielles Grauen auslöst, beschreibt der Roman durchaus gelungen, wie häufig bei Baxter wird zur Erklärung der Ursache das (wissenschaftlich fundierte) ganz große kosmische Rad geschwungen.

Nach einem anfänglichen Spannungsbogen verliert sich die Geschichte allerdings irgendwie und wird leider auch nur unbefriedigend abgeschlossen. In Erinnerung bleibt vor allem die durchaus erheiternde Beschreibung eines Generationengegensatzes in den 2050er-Jahren: Die Hauptprotagonisten sind alle zu Anfang des Jahrhunderts geboren und gelten, da sie durch Proteste und Tatkraft; durch Blut, Schweiß & Tränen einen schlimmeren Verlauf der Klimakatastrophe abwenden konnten, als „Greatest Generation“. Ihre Kinder im Teenager-Alter sind von ihnen vor allem deswegen genervt, weil sie alle ständig nur aufs Handy starren würden und das gemeinsame Erleben von Momenten deswegen zu kurz kommt.

Ada Palmer – Sieben Kapitulationen

Der zweite Band der in deutscher Übersetzung erschienenen vierteiligen „Terra Ignota“-Reihe führt die Ereignisse aus „Dem Blitz zu nah“ fort: Nach Jahrhunderten einer friedlichen Weltordnung – gestützt auf die „Hives“, nicht-territoriale Gemeinwesen, die unterschiedliche Lebensstile und Moralvorstellungen organisieren – gerät dieses System ins Wanken. Unterschiedliche Interessen, persönliche Verstrickungen und die Tatsache, dass wichtige Persönlichkeiten der „Hives“ gemeinsam einer Art von Vergnügen nachgehen, welches in der dargestellten Zukunftswelt zumindest als fragwürdig gelten würde, führen zu immer stärkeren Spannungen.

Mittels des zentralen Charakters und Erzählers Mycrof Canner, welcher aufgrund seiner besonderen Situation (als Sprachentalent und verurteilter Krimineller, der zur Wiedergutmachung Dienst an der Gesellschaft leisten muss) Zugang zu den Mächtigen dieser Welt hat, gelingt es Ada Palmer, die sich zuspitzende Krise sehr spannungsreich und häufig auch überraschend darzustellen. Ebenso wird so der faszinierende Welten-Entwurf der Autorin weiter ausgeleuchtet und um spannende Details ergänzt.

Zu der beschriebenen Zukunftswelt muss man wissen, dass diese strikt gender-neutral ist und eine konsequent non-binäre Sprache verwendet. Es gilt ein strenges Tabu, das Geschlecht eines anderen (oder abseits privater Momente auch das eigene) zu offenbaren. Entsprechend hat sich die Sprache entwickelt und wird so auch im Roman benutzt. In der englischen Originalausgabe ist diese Entwicklung durch Nutzung der bereits in unserer Gegenwart gebräuchlichen Pronomen „they/them“ leichter zu erschließen. Die Übersetzerin Claudia Kern hat aber einen hervorragenden Job gemacht, diese Sprachentwicklung ins Deutsche zu übertragen. Was auf den ersten Seiten noch etwas sperrig wirkt, fühlt sich durch die Schlüssigkeit der sprachlichen Lösung einige Seiten später schon ganz natürlich an. Wenn man sich darauf einlässt.

Also: Wer sich übers „Gendern“ sowieso immer aufregt, sollte besser die Hände von diesem Roman lassen. Für alle anderen eine deutliche Leseempfehlung (dann aber mit dem 1. Band beginnen)!

Tom Rob Smith – Kälte

Eines Tages erscheinen außerirdische Raumschiffe über der Erde (auf die ansonsten nicht weiter eingegangen wird, außer das es interessante Lichtpunkte am Himmel sein) und übermitteln eine Botschaft: Alle Menschen müssen innerhalb von 30 Tagen die Antarktis erreichen. Wer es nicht schafft, wird vernichtet. Die einsetzende Panik und Flucht zum Südpol wird sehr realistisch im ersten Teil des Buches geschildert.

Der zweite Teil des Buches beschäftigt sich, angesiedelt etwa 20 Jahre später, mit dem Leben der Menschen in der Antarktis. Der Autor entwickelt sehr interessante Ideen, wie man auf einem Kontinent fast ohne Pflanzen langfristig überleben kann. Auch die kulturellen Veränderungen, welche die Tatsache nur noch eine kleine Gemeinschaft von Überlebenden zu sein hervorruft, werden glaubwürdig dargestellt. Natürlich gibt es ebenso einen großen Konflikt, und zwar über die Frage, ob und vor allem wie stark künftige Generationen gentechnisch angepasst werden sollen, um ein dauerhaftes Überleben in der Antarktis zu sichern. Auch dieser Handlungsstrang wird spannungsreich und schlüssig erzählt.

Dieses Buch wird mir in Erinnerung bleiben, schon alleine aufgrund der Fülle an Ideen.

Laura Lam – Das ferne Licht der Sterne

In naher Zukunft steht die Erde kurz vor dem ökologischen Kollaps. Um das Überleben der Menschheit zu sichern, muss ein inzwischen gefundener anderer bewohnbarer Planet erreicht werden. Zwei starke Frauen, eine brillante Biologin und ihre Adoptiv-Mutter (zufälligerweise eine Tech-Milliardärin), arbeiten unermüdlich an diesem Projekt. Inzwischen aber haben reaktionäre Regierungen die Macht übernommen, welche versuchen Frauen durch allerlei Maßnahmen aus dem Berufsleben zu verdrängen. Den Protagonistinnen soll schließlich verwehrt werden, an der Mission zum neuen Planeten teilzunehmen – und zwar nicht aufgrund „einer politischen Intrige“, wie es fälschlicherweise im Klappentext der deutschen Ausgabe steht, sondern schlicht aufgrund von Frauenfeindlichkeit.

Kurzerhand klauen die beiden gemeinsam mit drei weiteren Wissenschaftlerinnen das gerade fertiggestellte Raumschiff und unternehmen die Mission auf eigene Faust. Die auftauchenden Probleme eines solchen Raumfluges, insbesondere Schwierigkeiten mit der zur Ernährung der Besatzung dringend notwendigen Zucht von Algen und Pflanzen, werden gut und interessant beschrieben. Ebenso wie der sich aufbauende Konflikt zwischen den Frauen, deren Motivation zur Teilnahme an diesem Unterfangen höchst unterschiedliche sind. Den heftigen Plot-Twist sieht man dann auch nicht unbedingt kommen.

Adrian Tchaikovsky – Die Augen der Galaxis

Die Besatzung eines Bergungsschiffes mit einer sehr diversen Crew (dabei u.a. eine äußerst selbstbewusste körperbehinderte Person und ein Alien) wird immer tiefer in die sich anbahnende interstellare Krise hereingezogen, die durch das Wiederauftauchen der „Architekten“ im ersten Teil dieser Trilogie verursacht wurde.

Diese „Architekten“ sind eine außerirdische Macht, die aus rätselhaften Gründen bewohnte Planeten angreifen und in Origami-artige Kunstwerke verwandeln – deswegen auch der Titel des ersten Bandes, „Die Scherben der Erde“, denn auch unser Heimatplanet wurde knapp ein Jahrhundert zuvor zerstört. Sehr gut arbeitet der Autor heraus, wie sehr die Reste der Menschheit unter dem Trauma ständiger Flucht noch immer leiden und welche Ängste das erneute auftauchen der „Architekten“ auslöst.

Hervorragend erschafft Adrian Tchaikovsky außerirdische Spezies, die wirklich fremdartig sind (z. B. intelligente Muscheln – ja, richtig gelesen!) und nicht nur wie Menschen mit merkwürdiger Motivation und Körperform wirken.

Ich kann den dritten Band, der im Sommer 2024 erscheinen soll, kaum erwarten.

Theresa Hannig – Pantopia

Diese Autorin habe ich zuerst über ihre Kolumnen in der TAZ entdeckt. Die Prämisse ihres neusten Werkes „Pantopia“ hat dann mein Interesse geweckt: Eine künstliche Intelligenz (KI), die eigentlich für die Optimierung des Börsenhandels geschaffen wurde, wird zu einer sogenannten starken KI, die sich ihrer selbst bewusst ist – und einen Selbsterhaltungstrieb entwickelt. Um dauerhaft überleben zu können, das wird der KI schnell klar, muss sie die Welt verändern. Zusammen mit ihren Programmierer:innen legt sie den Grundstein für eine Weltrepublik.

Auch wenn ich die von der KI gefundene Lösung der Menschheitsprobleme in letzter Konsequenz nicht für plausibel halte, ist der Autorin ein kurzweiliges und zum Nachdenken anregendes Buch gelungen. Besonders gut und ziemlich humorvoll sind die Abschnitte, in welcher die KI selbst die Ich-Erzählerin ist und man miterleben darf, wie diese nach und nach die sie umgebende Welt begreift.

Theresa Hannig – Die Optimierer

Da mir der vorgenannte Titel von Theresa Hannig recht gut gefallen hatte, habe ich gleich danach den Erstlings-Roman der Autorin gelesen. Und dieser hat mir noch besser gefallen!

Deutschland und weitere Teile Europas sind 2052 Teil einer Optimalwohlökonomie, wo alle die für sie vorgesehene Rolle in der Gesellschaft einnehmen. Was diese Rolle ist, darüber entscheiden sogenannten Lebensberater der staatlichen Agentur für Lebensberatung auf Basis einer allumfassenden Datensammlung.

Einer dieser Lebensberater ist Samson Freitag, ein glühender Verfechter des Systems. Nachdem eine seiner Kundinnen, welcher er in die „Kontemplation“ (lebenslanges Nichtstun durch eine Art Grundeinkommen, weil kein optimaler Platz in der Gesellschaft vorhanden) geschickt hat, Suizid begeht, wird ihm Falschberatung vorgeworfen. Und eine Abwärtsspirale beginnt.

Theresa Hannig – Die Unvollkommenen

Gleich im Anschluss habe ich die Fortsetzung gelesen. Eine Nebenfigur aus „Die Optimierer“, die Systemkritikerin Lila, ist hier die Hauptprotagonistin. Nach fünf Jahren Haft, verbracht in künstlichem Koma (optimaler, da geringere Unterbringungs- und Verpflegungskosten), wird die Gefangene in ein „Internat“ überstellt, einem ehemaligen Luxusressort an der Ostsee, wo sie den Rest ihres Lebens verbringen soll. Zusammen mit einem Mitgefangenem gelingt ihr die Flucht. Aber die Optimalwohlökonomie ist noch totalitärer geworden als fünf Jahre zuvor.

Lucy Kissick – Projekt Pluto

Seit vor einigen Jahren die Raumsonde New Horizons am Planeten Pluto vorbeiflog ist bekannt, dass es sich nicht um einen toten Felsen, sondern um eine äußerst dynamische, interessante Welt handelt. Der Pluto ist Schauplatz dieses gelungenen Erstlingswerks.

Ihren beruflichen Hintergrund in der Planetenforschung merkt man der Autorin bei der Beschreibung des dauerhaft bewohnten Stützpunktes sowie der Landschaften auf dem Pluto (positiv!) an. Ins Rollen kommt die Handlung durch das Eintreffen von Terraformern, die durch ein technisches Großprojekt den Pluto in eine besser für Menschen geeignete Welt verwandeln sollen. Offensichtlich scheint jedoch jemand dieses Projekt sabotieren zu wollen. Und dann ist da noch die neunjährige Nou, die seit einem traumatischen Erlebnis, welches sie bisher aber niemandem mitteilen konnte, verstummt ist. Was mag nur passiert sein?

Nils Westerboer – Athos 2643

Auf dem kleinen (fiktiven) Neptunmond Athos befindet sich ein abgeschiedenes Kloster, in welchem ein Mönch zu Tode kommt. Zur Aufklärung dieses Vorfalls wird der Inquisitor Rüd samt seiner Assistentin Zack (einer künstlichen Intelligenz) geschickt.

Die Rolle eines Inquisitors in dieser Zukunftswelt ist, eine künstliche Intelligenz – in diesem Fall die für die Lebenserhaltung in der Siedlung auf dem Mond Athos zuständige MARFA – zu verhören und dazu zu überreden, ihre Grundprogrammierung zu verändern. Denn der Grundsatz, möglichst viele Leben zu erhalten, führt bei sehr kleinen Gemeinschaften wie dem Kloster auf Athos zu unerwarteten Ergebnissen.

Nicht umsonst hat dieses Buch im abgelaufenen Jahr den renommierten Deutschen Science-Fiction-Preis gewonnen. Kaum etwas ist wie es scheint, manche Textpassagen muss man ganz langsam noch einmal lesen, um vorher übersehenes zu erfassen. Vielleicht der beste Roman, den ich 2023 gelesen habe.

Stephen Baxter – Das Geflecht der Unendlichkeit

Leider kommt Stephen Baxter, der durchaus hervorragende Romane geschrieben hat, in dieser Übersicht nicht gut weg. Dieses Buch von ihm habe ich eigentlich nur als Lückenfüller gelesen, weil es bis zum Erscheinungstermin des folgenden Titels noch einige Tage hin war.

In der Zukunft ist die Erde von den außerirdischen Quax besetzt. Die Details über die Motivation dieser Besatzer werden durchaus interessant und schlüssig geschildert. Der Rest der Geschichte ist dann aber ziemlich verworren: Rebellen fliehen durch ein Wurmloch in die Vergangenheit (wie bei Baxter üblich mit einer – Stand 1992 – wissenschaftlich zumindest theoretisch plausiblen Methode), die Quax folgen ihnen. Anstatt sich von den durchaus technologisch fortgeschrittenen Menschen der (immer noch weit in unserer Zukunft angesiedelten) Vergangenheit helfen zu lassen, verfolgen diese Rebellen aber ganz eigene Pläne.

Adrian Tchaikovsky – Die Feinde der Zeit

Zum Jahreswechsel 2023/2024 lese ich dann endlich den gerade auf Deutsch erschienen abschließenden Band von Adrian Tchaikovskys Trilogie, welche mit dem Meisterwerk „Die Kinder der Zeit“ begonnen hat.

Die (mehrfach) zusammengebrochene, zu den Sternen fliegende Zivilisation der Menschheit hat auf verschiedenen Planeten ein Erbe hinterlassen. Ein Erbe, welches von der Erde stammt, aber eine ganz eigene Entwicklung genommen hat (und ganz ernsthaft: Niemand mit Angst vor Spinnen sollte unvorbereitet in den ersten Roman dieser Trilogie einsteigen!).

In diesem dritten Band erkunden Menschen, andere ursprünglich von der Erde stammende intelligente Arten sowie die im zweiten Band entdeckte außerirdische Intelligenz gemeinsam einen Planeten, auf dem tatsächlich andere Menschen leben und deren Situation immer prekärer wird.

Ich bin noch nicht durch, bin aber schon jetzt angetan – ein sehr gutes Buch!

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