Eigentlich sollte in diesem Jahr Baubeginn der sogenannten „festen Fehmarnbeltquerung“ sein, eines 17,6 Kilometer langen Auto- und Eisenbahntunnels zwischen der deutschen Ostsee-Insel Fehmarn und der dänischen Insel Lolland. Spätestens seit dem Treffen zwischen dem dänischen Verkehrsminister und seinem deutschen Amtskollegen am 24.02. ist klar: Daraus wird nichts.
In sechs Monaten soll jetzt zwischen den beiden Regierungen der „weitere Zeitplan geklärt werden“.
Vor einigen Wochen musste die Planungsgesellschaft Femern A/S öffentlich eingestehen, dass sich die einstmals veranschlagten Baukosten von 5,5 Mrd. Euro auf inzwischen satte 7,6 Mrd. Euro erhöhen würden. Immerhin eine Steigerung von fast 40%, und aller Erfahrung nach wohl nur die Spitze des Eisberges. Klar war diese Kostenexplosion eigentlich schon im Jahre 2008 bei Unterzeichnung des entsprechenden Staatsvertrages zwischen der Bundesrepublik und dem Königreich Dänemark: Bei der Berechnung der Baukosten wurde mit Preisen von 2002 gearbeitet, was bei einem geplanten Baubeginn fast eineinhalb Jahrzehnte später nur unrealistisch sein konnte. Gewarnt vor dem sich jetzt abzeichnenden finanziellen Desaster hatten über die Jahre viele, darunter nicht nur Bürgerinitiativen und DIE LINKE, sondern wiederholt auch der Bundesrechnungshof.
Lange Zeit waren die Kosten des Tunnelbaus den Offiziellen auf deutscher Seite herzlich egal: Laut Vertrag übernimmt die Kosten des Tunnelbaus zu 100% Dänemark. Allerdings stehen dort im September diesen Jahres Parlamentswahlen an, was vielleicht die sonst unübliche Aufgeregtheit des dänischen Verkehrsministers zu erklären vermag. Geldverschwendung für unsinnige Großprojekte ist auch bei unseren nördlichen Nachbarn nicht unbedingt populär.
Auf deutscher Seite ist vielmehr die sogenannte Hinterlandanbindung (also der Ausbau der Straßen- und Schienenverbindung zum geplanten Tunnel) das eigentliche und letztlich noch völlig ungeklärte Problem: Schon vor Monaten musste der Bundesverkehrsminister seinem dänischen Kollegen mitteilen, dass diese nicht wie vertraglich vereinbart zur Eröffnung des Tunnels fertig sein würde, sondern erst „mehrere Jahre später“. Hinzu kommt auch hier ein ungeklärter Kostenrahmen mit erheblicher „Explosionsgefahr“.
An dieser Stelle ganz zu schweigen von den vielen offenen Fragen hinsichtlich Streckenführung der Eisenbahntrasse, einem Ersatz für die inzwischen sanierungsbedürftige Fehmarnsundbrücke und den schädlichen Folgen für die Meeresökologie bei einem Tunnelbau.
Unrealistische Wirtschaftlichkeitsrechnung
Auch die Wirtschaftlichkeitsrechnung des Mega-Projekts steht, vorsichtig formuliert, auf tönernen Füßen: Die angenommenen Steigerungen des Verkehrsaufkommens auf der „Vogelfluglinie“ zwischen Deutschland und Skandinavien sind nicht in Sicht (die entsprechenden Verkehrsprognosen [pdf] von vor über zehn Jahren für das gegenwärtige Jahr haben sich schon nicht erfüllt). Ebenso wurde immer völlig außer acht gelassen, dass die bestehende Fährverbindung auch bei einem tatsächlichen Bau der festen Fehmarnbeltquerung weiterhin betrieben werden soll. Dieses ist gerade für den straßengebundenen Güterverkehr auch in Zukunft erfolgversprechend, dient die Überfahrt bei allen Speditionen auf dieser Route nämlich zur Einhaltung von Lenk- und Ruhezeiten. Hinzu kommt, dass Speditionen mit vielen Überfahrten auf der Fährverbindung in den Genuss von Rabatten in Höhe von 20 bis 30% zum Standardpreis kommen. Dieser Standardpreis für die Überfahrt mit der Fähre aber ist Grundlage der Wirtschaftlichkeitsrechnung, sollen (und dürfen) die Mautgebühren für die Fahrt durch den geplanten Tunnel doch keinesfalls höher sein. Wo die Einnahmen zur Refinanzierung des Tunnels also herkommen sollen, bleibt ein Rätsel.
Einziger verbleibender verkehrstechnischer Vorteil einer festen Fehmarnbeltquerung wäre tatsächlich nur die etwa um eine Stunde kürzere Fahrtzeit von Zügen zwischen Skandinavien und Mitteleuropa. Für Zugreisende möglicherweise angenehm, volkswirtschaftlich aber nur im Hinblick auf den Güterverkehr relevant. Auch hier aber sind Zweifel an der ökonomischen Tragfähigkeit angebracht: Über die Große-Belt-Querung einerseits und die Öresund-Brücke andererseits besteht bereits eine feste Eisenbahnverbindung zwischen Skandinavien und dem mitteleuropäischem Festland. Deren Kapazitäten sind gegenwärtig nicht ausgeschöpft, so dass auch eine mögliche Steigerung des schienengebundenen Gütervolumens problemlos abgewickelt werden kann. Ebenso sind per Güterzug abgewickelte Transporte in aller Regel nicht so „zeitsensibel“, dass eine ca. sechzig Minuten längere Fahrtzeit wirklich ins Gewicht fällt. Ein „Konkurrenzbauwerk“ über den Fehmarnbelt würde letztlich nur dazu führen, dass auch die Refinanzierung der bereits bestehenden transeuropäischen Verkehrsachsen über die Ostsee in weite Ferne rückt.
Es ist ziemlich eindeutig: Die feste Fehmarnbeltquerung ist überflüssig und im Falle ihres tatsächlichen Baus ein potentielles Milliardengrab. Möglicherweise sieht dieses in einigen Jahrzehnten anders aus, im Moment aber ist ein volkswirtschaftlich sinnvoller Betrieb eines Fehmarnbelttunnels (und damit sein refinanzierbarer Bau) nicht möglich.
Da entsprechende Klauseln im Staatsvertrag zwischen Dänemark und der Bundesrepublik vorhanden sind, muss dieses unsinnige Großprojekt jetzt gestoppt werden – bevor weitere Millionen für den letztlichen Bau von Luftschlössern verschwendet werden.
Sinnvolle alternative Verkehrsinvestition
Für die Stärkung der Verkehrsverbindungen zwischen Skandinavien und Mitteleuropa gibt es eine sehr sinnvolle Investitionsalternative, die zudem etliche Milliarden Euro weniger kosten würde: Eine Entschärfung des „Nadelöhrs Rendsburg“ auf der bestehenden Straßen- und Eisenbahnroute. Die völlig marode Autobahnbrücke über den Nord-Ostsee-Kanal, mit zeitweiser Sperrung für den Güterverkehr, ist Dauer-Aufregerthema im Land. Vor einigen Wochen wurde zwar ein vergleichsweise zeitnaher Ersatz beschlossen, allerdings ohne jeden Weitblick: Weiterhin problematisch bleibt die zwar grundsanierte, aber nicht für steigende Verkehrsaufkommen ausgelegte Rendsburger Eisenbahnbrücke. Die von einer internationalen und überparteilichen Initiative geforderte Lösung, bei Rendsburg einen kombinierten Auto- und Eisenbahntunnel zu bauen, wurde nicht in Betracht gezogen. Dabei würde gerade ein solches Bauwerk tatsächlich die bereits bestehenden Verkehrsachsen nach Skandinavien stärken. Bei einem tatsächlichen Bau der festen Fehmarnbeltquerung hingegen bestünde die reale Gefahr, dass es dann zwar zwei Verbindungen gibt, beide aber über lange Zeit nur unzureichend ausgebaut blieben. Hier muss jetzt umgesteuert werden!