Klassenraum (Symbolfoto)

Antrag an Landesparteitag: Für eine rationale Schulreform und Bildungsinvestitionen

Folgenden bildungspolitischen Antrag stelle ich an den Landesparteitag der LINKEN in Schleswig-Holstein am kommenden Wochenende:

Für eine rationale Schulreform und Bildungsinvestitionen statt parteipolitischer Grabenkämpfe!

Die regierende rot-grün-blaue Koalition hat das von den Vorgängerregierungen angerichtete bildungspolitische Chaos nicht beseitigt, vielfach haben SPD, GRÜNE und SSW ihre eigenen Wahlversprechen gebrochen. Sich der Verwirklichung von Chancengleichheit und sozialer Gerechtigkeit im Schulwesen auch nur anzunähern, wie von der SPD im Landtagswahlkampf 2012 vollmundig zu einem wichtigen Schwerpunkt künftiger Regierungsarbeit erklärt, ist in den vergangenen Monaten nicht gelungen; stattdessen wird sich kleinlich an der Verteidigung des faulen Schulkompromisses von 2007 an der konservativen Opposition im Landtag abgearbeitet. Die von der amtierenden Landesbildungsministerin zur Versachlichung der bildungspolitischen Debatte wiederholt einberufenen Bildungskonferenzen blieben weitgehend Alibi-Veranstaltungen, wichtige Forderungen von SchülerInnenvertretungen, der Landeselternbeiräte und der GEW wurden nicht aufgegriffen.

Statt, wie im Landtagswahlkampf 2012 versprochen, Eltern von den Kosten der Beförderung von Schülerinnen und Schülern freizustellen, werden die Kreise und Gemeinden mit der Finanzierung alleine gelassen. Statt den Investitionsstau bei öffentlichen Schulen anzugehen, wurden Privatschulen finanziell gestärkt. Statt gleicher Voraussetzungen von Schulabschlüssen an allen Schulen wurden unterschiedliche Wege, Voraussetzungen und damit Wertigkeiten bei den bestehenden Schulformen zementiert. Auch wenn die Landesbildungsministerin öffentlich zugeben musste dass in Schleswig-Holstein mindestens 1 600 Lehrerinnen- und Lehrerstellen fehlen, so hält die Landesregierung am durch die schwarz-gelbe Vorgängerregierung eingeleiteten Kurs des schleichenden Personalabbaus im wesentlichen fest.

Ende Oktober 2013 sahen sich die Elternbeiräte aller Schulformen genötigt, öffentlich von einer „Bankrotterklärung für Bildung im Land Schleswig-Holstein“ zu sprechen. Aufgrund der desolaten Personalsituation an vielen Schulen, hohen Krankenständen sowie dem fortgesetzten Abbau von Planstellen erhöht sich die Zahl ausgefallener Unterrichtsstunden zunehmend. Als einzige konkrete Reaktion hierauf wurde in den die Koalition tragenden Landtagsfraktionen beraten, bei der Kultusministerkonferenz die Absenkung der Kontingentstundentafel einzufordern. Aufgrund politisch verursachten Personalmangels in den Schulen soll Umfang und Qualität des Unterrichts reduziert werden – wahrlich eine Bankrotterklärung der Landesregierung.

Für die derzeitige Opposition im Landtag scheint nur ein Thema relevant zu sein: Die Verteidigung der Privilegien der Schulform Gymnasium sowie die langfristige Erhaltung des mehrgliedrigen Schulsystems. In den letzten Monaten haben FDP und CDU dabei Forderungen erhoben, welche im Gegensatz zur eigenen Regierungspolitik der vergangenen Jahre stehen. Parteipolitische Grabenkämpfe gegen die amtierende Landesregierung scheinen wichtiger zu sein als eine an den Interessen der Lernenden und der Lehrenden orientierten Schulpolitik.

Seit dem Ausscheiden der LINKEN aus dem Landtag hat die Qualität bildungspolitischer Debatten in Schleswig-Holstein deutlich abgenommen.

In Bekräftigung ihrer im Landtagswahlprogramm 2012 formulierten Positionen steht für DIE LINKE weiterhin fest: Um soziale Gerechtigkeit im Bildungswesen zu ermöglichen sowie allen Kindern und Jugendlichen gleiche Zukunftschancen zu eröffnen, ist eine Überwindung des mehrgliedrigen Schulsystems notwendig. Keine seriöse wissenschaftliche Untersuchung konnte bisher Vorteile der frühzeitigen Selektion auf verschiedene Schulformen gegenüber längerem gemeinsamen Lernen benennen. Vielmehr sind sich Bildungsforscherinnen und -forscher, die OECD und verschiedene Sonderorganisationen der Vereinten Nationen einig: In keinem anderen entwickelten Land sind Bildungserfolg und Zukunftschancen so sehr von Status und Einkommen der Eltern abhängig, wie in Deutschland. Selbst die Europäische Kommission hat den Zustand des Schulsystems in der Bundesrepublik in einer jüngst veröffentlichten Studie als mitursächlich für zunehmende soziale Spaltung erkannt. Das weitere Festhalten an einer überkommenen Schulstruktur und diskriminierenden Selektionsmechanismen ist irrational und hat mit einer modernen Bildungspolitik im Interesse der Lernenden und Lehrenden nichts zu tun.

DIE LINKE in Schleswig-Holstein wird sich zusammen mit progressiven Bündnispartnern weiterhin für eine rationale Schulreform einsetzen: Gemeinsames Lernen bis zur zehnten Klasse an einer Schule für Alle muss besser früher als später verwirklicht werden. Höhere Bildungsabschlüsse, insbesondere auch die Hochschulzugangsberechtigung, sollen allen Schülerinnen und Schülern unabhängig von Status und Einkommen der jeweiligen Eltern offenstehen. Hierzu wird DIE LINKE. Schleswig-Holstein vor der nächsten Landtagswahl ein umfassendes Konzept vorlegen.

Uns ist dabei bewusst, dass Forderungen nach strukturellen Veränderungen im Schulwesen derzeit unpopulär sind und eine Abschaffung des Gymnasiums gegenwärtig voraussichtlich keine gesellschaftliche Mehrheit finden würde. Zu sehr suggerieren konservative Parteien wie Interessenverbände und große Teile der Medienlandschaft den besorgten Eltern, ihren Kindern würde bei gemeinsamen Lernen mit Kindern aus so bezeichneten „niedrigeren sozialen Schichten“ Nachteile und eingeschränkte Zukunftsperspektiven entstehen. Jahrzehntelange Erfahrungen in fast allen anderen Industrieländern sowie in den bestehenden Gemeinschaftsschulen beweisen allerdings, dass dieses nicht der Realität entspricht: Von gemeinsamen Lernen profitieren alle Schülerinnen und Schüler, unabhängig der individuellen Herkunft.

DIE LINKE wird hierfür weiterhin Überzeugungsarbeit leisten und der Propagierung elitärer Bildungsprivilegien entgegentreten.

Zur konkreten Verbesserung der gegenwärtigen Situation an den Schulen Schleswig-Holsteins und im Interesse der Lernenden und Lehrenden fordert DIE LINKE von der Landesregierung die Umsetzung folgender Maßnahmen:

  • verbindliche Abschaffung des sogenannten „Turbo-Abiturs“ (G8) an den Gymnasien, gleichwertiger Weg zur Hochschulreife an Gymnasien und Gemeinschaftsschulen,
  • Genehmigung von Oberstufen an allen Gemeinschaftsschulen im Land,
  • bedarfsorientierte Umwandlung aller Regionalschulen in Gemeinschaftsschulen, ein Auslaufen dieser von Eltern überwiegend gemiedenen Schulform,
  • Rücknahme der jüngst verstärkten Förderung von Privatschulen, ausgenommen hiervon die Schulen in Trägerschaft des Dänischen Schulvereins,
  • Stopp des schleichenden Personalabbaus an den Schulen, Wiederbesetzung aller durch Pensionierung frei werdenden Lehrerinnen- und Lehrerstellen,
  • Übernahme des Tarifabschlusses im öffentlichen Dienst auch für verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer,
  • Anpassung der Pflichtstundenverordnung an die gewerkschaftliche Forderung von 24 Pflichtstunden an allen Schulformen,
  • unbedingte Einstellung der Praxis, insbesondere jüngere Lehrerinnen und Lehrern zu den Ferien in die Arbeitslosigkeit zu entlassen.
  • Abschaffung der sogenannten budgetbegrenzten „Vertretungsfonds“ und deren Ersatz durch einen landesweiten, bedarfsgerechten Pool an Vertretungslehrerinnen und Vertretungslehrern,
  • Bereitstellung von Landesmitteln für die Kommunen zur Finanzierung der SchülerInnenbeförderung, Umwandlung der Kann-Regelung für die Beförderungskostenübernahme volljähriger Schülerinnen und Schüler in eine verpflichtende Bestimmung,
  • eine Bundesratsinitiative zur Bereitstellung von Haushaltsmitteln des Bundes für Programme der Länder zum Abbau des Sanierungsstaus an öffentlichen Schulen.

Zur Finanzierung dieser notwendigen Forderungen können zum einen inhärente Refinanzierungseffekte genutzt werden. Zum anderen stellt der Umstand, dass einer ganzen Generation von Schülerinnen und Schülern aufgrund von Kürzungszwängen keine quantitativ wie qualitativ ausreichende Schulbildung mehr vermittelt werden kann, ein Staatsversagen und eine außergewöhnliche Notsituation dar. Die in der sogenannten „Schuldenbremse“ – welche von der LINKEN eben aufgrund der jetzt eintretenden Folgen immer abgelehnt wurde – festgelegten Ausnahmeregelungen gemäß Art. 109 Abs. 3 GG sowie Art. 53 Abs. 3 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein sind anzuwenden.

Dringend benötigte Investitionen in das Bildungswesen dürfen nicht aufgrund selbstauferlegter Kürzungszwänge unterlassen werden.

Update 2.12.2013
Der Landesparteitag hat diesem Antrag fast einstimmig zugestimmt.

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